Schon 2019 wollte ich nach Hiroshima, aber in den 13 Tagen habe ich es nicht mehr unterbringen können. Von Kyōto ist es dann doch ein gutes Stück weg (um die 400km), eine knapp dreistündige Zugfahrt. Dieses Mal war Hiroshima aber auf jeden Fall eingeplant. Mich interessiert die Stadt und ihre bedrückende Geschichte schon seit langem.
Hiroshima wurde im zweiten Weltkrieg durch die Zündung der ersten Atombombe über der Stadt fast vollständig zerstört. Wie ist das alles passiert, welche Auswirkungen hatte es? Darüber wollte ich mir vor Ort endlich selbst ein Bild machen, und Hiroshima hat mit dem Friedenspark und dem Museum dort, sowie dem eindrücklichen Atomic Dome mitten in der Stadt einiges dafür getan, dass dieses Ereignis niemals vergessen wird. Und hoffentlich so etwas nie wieder passiert.
2023 kam dann der Film „Oppenheimer“ ins Kino, in dem sich alles um die Erschaffung der ersten Atombombe dreht, die letztendlich über Hiroshima gezündet wurde. Da kam mir die Stadt erneut ins Gedächtnis. Der Film ist wirklich klasse und für Interessierte sehr sehenswert.
2024 wurde dann Nihon Hidankyō (Japan Confederation of Atomic and Hydrogen Bomb Sufferers Organizations), eine japanische Friedensorganisation mit Überlebenden der Atombombe, die sich gegen die nukleare Aufrüstung in der Welt einsetzt, mit dem Friedensnobelpreis 2024 ausgezeichnet.
Für die Besichtigung der Stadt und des Friedensparks habe ich mir mindestens einen vollen Tag vorgenommen, und an einem zweiten wollte ich unbedingt einen Tagesausflug nach Miyajima Island unternehmen, eine vorgelagerte Insel mit wunderschöner Natur und einem tollen Ausblick auf die Umgebung, wenn man dort auf die Bergspitze hochfährt und -wandert.
Hiroshima
Nach der Ankunft mit dem Shinkansen aus Kyōto gegen 14 Uhr habe ich mich direkt auf die Suche nach der richtigen Straßenbahn gemacht. In Hiroshima gibt es ein großes Straßenbahn-Netz und laut Google Maps fuhr eine fast direkt zu meiner Unterkunft.
Für Hiroshima habe ich mich für ein Airbnb (Link, es werden 3 verschieden große Zimmer angeboten) entschieden, ein kleines Zimmer in einem privat geführten Gästehaus mitten in der Stadt, von wo alles fußläufig zu erreichen ist. Der Vermieter war der Sohn des älteren Ehepaares das dort wohnt, und um in mein Zimmer zu kommen, musste man immer durch deren Küche gehen. Manchmal waren sie grad beim Essen oder Kochen. Bevor ich dort war, fand ich das etwas komisch, aber es war wirklich herzlich.
Die beiden waren superlieb, und ich habe mich sogar ganz gut unterhalten können, auch wenn das nur mit Google Translate funktioniert hat. Im ersten Stock gab es ein ebenfalls von der Familie geführtes Café. Der japanische Klassiker „Omurice“ (ein mit Reis, manchmal auch Huhn gefülltes Omelette, oft mit einer Art Tomatensauce serviert) sollte ich doch bitte unbedingt dort probieren. Natürlich habe ich das als allererstes gemacht! Sehr lecker, ein wenig Chili oder so hätte aber ganz gut gepasst (ich esse gerne etwas schärfer).
Einen frühabendlichen Spaziergang zum Friedenspark und die Umgebung habe ich auch direkt gemacht, und schon mal ein wenig anschauen können. Hiroshima hat wirklich einen besonderen Charme, die Stadt ist jung, geht verantwortungsvoll mit ihrer Geschichte um, und ist wirklich sehenswert auf den ersten Blick.
Wie es der „Zufall“ 😉 so will, habe ich in der überdachten Shopping-Meile 200m von meiner Unterkunft entfernt eine lokale Craftbeer-Brauerei entdeckt, Hiroshima Neighborly Brewing. Selbstverständlich war das meine nächste Einkehrlocation. Lokales Craftbeer ist eins meiner Favoriten. Zum Abschluss des Tages habe ich mich ein wenig durch die Karte probiert, und ein paar Snacks dazubestellt, z.B. die bekannten deep fried Hiroshima Austern.
Am nächsten Morgen hat mich strahlender Sonnenschein erwartet. Ein perfekter Tag um die Stadt ausgiebig zu erkunden, aber vor allem, um erst einmal eine Laufrunde durch Hiroshima zu drehen. Also fix die Laufschuhe geschnürt und los ging’s! 6,5km sind es geworden, durch den Friedenspark und am Fluss entlang, auch das Hiroshima Castle ist an mir vorbeigehuscht. Noch war wenig los, und ich war schon gespannt, was mich später u.a. im Memorial Museum erwartet. Laufen gehen in fremden Städten ist irgendwie cool – man sieht so viel neues durchs Laufen und landet oft in Ecken, die man so nicht besucht. Die Laufroute gibt’s hier bei Komoot.
Danach ging es direkt los. Allerdings nicht vollkommen planlos – ich habe mir einen großen Sightseeing-Spaziergang durch Hiroshima zusammengebaut. Zum Start aber erst in den Friedenspark.
Direkt als ich den Park betreten habe, ist mir ein Betonbauwerk mit Wasserspiel aufgefallen, um das ein runder Weg in den Untergrund führte. Es handelte sich um die National Peace Memorial Hall for the Atomic Bomb Victims, eine Friedensgedächnishalle für die Atombombenopfer in Hiroshima, die 2002 errichtet wurde. Ein Ort um den Opfern zu gedenken und um sie zu trauern. Das Mahnmal zeigt übrigens eine Uhrzeit von 8:15 Uhr an, hier steht die Zeit still – um diese Zeit wurde morgens die Bombe gezündet.
Ich muss sagen, der Besuch dieser Halle hat mich ziemlich erschüttert. Ich saß bestimmt eine halbe Stunde in der hohen Halle mit einem dicken Kloß im Hals. An den Wänden konnte man chronologisch etwas über die Opfer erfahren. Ich weiß nicht, aber wenn man direkt vor Ort ist und die Schicksale der Opfer sieht und liest, nimmt einen das ganz anders mit als wenn man sich darüber aus der Ferne informiert. Der Eintritt in die Gedächtnishalle ist kostenlos, aber im Friedenspark ist das für mich eine der beeindruckendsten Mahnmale.
Im Anschluss bin ich zum Peace Memorial Museum. Der Eintritt ist mit nur 200¥ (ca. 1,50€) sehr moderat gestaltet. Es waren unglaublich viele Schulklassen im Park und im Museum – kein Wunder, jeder sollte das einmal gesehen haben und die eigene Geschichte lernen. Im Museum wird die Geschichte Hiroshimas und der Atombombenangriff anschaulich dargestellt. Eine eigene Halle widmet sich der Technologie selbst und wieso Atombomben nicht mehr in diese Welt gehören. Der Besuch ist sehr beeindruckend, und das Gezeigte nimmt einen schon ziemlich mit. Aber es ist wichtig, damit die schrecklichen Geschehnisse nie wieder vergessen werden und auch nie wieder so etwas passiert.
Im Park selbst gibt es noch einige weitere Mahnmale zu besichtigen, für die man sich Zeit nehmen sollte: Das Mahnmal für die gefallenen Kinder, für koreanische Opfer, das Friedensfeuer und vieles mehr.
Der Atomic Dome, das Friedensdenkmal Hiroshimas, steht außerhalb des Parks auf der anderen Seite des Flusses. Das Gebäude war das einzige, das nach dem Atombombenangriff nicht komplett zerstört wurde. Heute ist das Beton-Stahlgerippe mit Feuer- und Aschespuren ein Zeugnis der Katastrophe von damals und nicht zu übersehen.
Im Chuo Park wurde ich neben einigen hippen Café und Restaurants von einer alten Dampflokomotive überrascht, die dort ausgestellt war, Viele Kinder turnten auf ihr herum. Ein schönes Fotomotiv!
Danach wurde es recht anstrengend, denn es ging steil den Hügel hinauf über Wege und Treppen. Oben angekommen, konnte man aus dem dortigen Hijiyama Park eine schöne Aussicht über Hiroshima genießen. Auf der anderen Seite bin ich dann langsam wieder runter, lustigerweise gabe es dort eine riesige Rolltreppenanlage, die Kletterei hätte man sich von dieser Seite her also sparen können – na ja, bissl Sport macht ja nichts 🙂
Auf dem Rückweg hat mich komoot irgendwie durch einen Friedhof am Hang geführt. Ich kam mir etwas seltsam vor, aber auf der anderen Seite war das auch sehr faszinierend.
Insgesamt ist der Spaziergang 11,5km lang geworden. Alle Details zu dieser Tour findet ihr auf komoot.
Zurück in der Innenstadt gab es erstmal eine kleine Stärkung in Form von gutem Kaffee und wieder mal einem japanischem Honey Toast mit Vanilleeis. Das ist so lecker irgendwie, gibt es bei uns gar nicht. Habe diese bestimmt dreimal so dicken Toastscheiben bei uns noch nie gesehen.
Zum Abendessen wollte ich unbedingt Okonomiyaki Hiroshima style essen. Okonomiyaki sind eine Art japanischer Pfannkuchen, die mit Mehl, Eiern, Weißkohl und Gemüse gebraten werden. Die (braune) Okonomiyaki-Sauce, japanische Mayo und Bonitoflocken dienen zum Abschmecken. In der berühmten Hiroshima-Version werden die Zutaten nacheinander gebraten und geschichtet anstatt anfangs vermischt wie bspw. in Osaka. Außerdem enthält diese Version noch eine Schicht Nudeln.
Ich habe mir jedenfalls eines der bestbewertesten Okonomoyaki-Restaurants ausgesucht. Nur leicht zu finden war es nicht – in dem Gebäude gab es über 3 Stockwerke ausschließlich Okonomoyaki-Restaurant (Google Maps). Meines sollte im 3. Stock sein, dort waren auch wieder vier Restaurants. Aber bei meinem war ein ziemlicher Andrang und damit schnell zu finden. Da ich alleine war, hatte ich vor ein paar Pärchen schneller einen Platz. Die von mir bestellte Premium-Variante („Ron’s Special“) mit den großen Hiroshima-Austern die vor Hiroshima gezüchtet werden war dann echt ein wenig heftig, die Portion war riesig! Immerhin hab ich das Teil zu 80% geschafft. Aber mehr ging einfach nicht. In Hiroshima ein Muss!
Miyajima Island
Heute habe ich mir einen Tagesausflug auf die Insel Miyajima vorgenommen. Die Insel liegt vor Hiroshima und ist mit dem Zug oder mit der Tram zu erreichen (Google Maps zeigt alle Verbindungen perfekt an). Ich habe mich für die Tram entschieden, das hieß über eine Stunde durch Hiroshima rollen. Aber genau das wollte ich, um einfach mit der Tram noch ganz andere Ecken der Stadt zu sehen. Mit dem Zug geht es natürlich schneller, ca. 20 Minuten. Die Fahrt mit der Tram zum Fähranleger kostete auch nur 220¥ (1,40€).
Das Fährticket kann man dann direkt vor Ort kaufen, die fahren alle 30 Minuten. Nach ca. 15 Minuten ist man auch schon auf Miyajima.
Die kleine Ortschaft bei Ankunft besteht vor allem aus sehr vielen Souvenirläden, Essensständen und Restaurants. Was natürlich touristisch ist, aber trotzdem sehr schön. Man kann einige km an der Küste entlangspazieren und gelangt so auch zum berühmten Itsukushima-Schrein, zu dem das scheinbar schwimmende orangene Torii-Tor gehört. Das ist wirklich sehenswert, auch wenn der Strand davor bei Ebbe etwas unschön aussieht mit den ganzen Algen. Hier machen sie alle Fotos und Selfies – ich natürlich auch.
Auf der Insel laufen viele Rehe frei herum, aufgrund der vielen Menschen sind diese auch sehr zutraulich. Sie sitzen und spazieren einfach mit. So süß!
Um auf die Bergspitze zu kommen, muss man etwa 1km eine kleine Straße hochmarschieren, zur Talstation der Seilbahn. Es fährt aber auch ein kostenloses Shuttle, wenn man es braucht. Dann verpasst man aber ein paar nette Geschäfte.
Ganz wichtig: Die Tickets für die Seilbahn unbedingt vorreservieren. Insbesondere an Wochenenden oder Feiertagen hat man sonst keine Chance, ein Ticket zu bekommen, denn diese sind limitiert. Man kann dies auf dieser Webseite tun, manchmal am selben Tag, aber ich empfehle es mindestens einen Tag vorher. Unbedingt eine Berg- und Talfahrt wählen, außer man will abends eine längere Bergwanderung abwärts möglicherweise im Dunkeln unternehmen (2.000 ¥, ca. 13€).
Die letzte Talfahrt ist immer um 16:30 Uhr, aber die Gondeln sind nicht allzu groß und die Wartezeit entsprechend lange. Ich stand eine ganze Stunde in der Schlange um wieder herunterfahren zu können, und es kamen immer wieder Durchsagen, dass die letzte Gondel wirklich die letzte ist und dann keiner mehr runterfahren kann. Trotzdem sind auch eine Stunde vor Betriebsschluss noch Familien mit Kindern oben angekommen – keine Ahnung ob die es wieder runtergeschafft haben.
Der Ausflug auf den Berg lohnt sich. Man hat schon auf der Plattform der Bergstation einen tollen Blick, aber richtig schön wird es, wenn man noch ca. 45 Minuten Wanderung einplant. Es geht erst abwärts und einen höheren Hügel gegenüber ganz hoch – eine schweißtreibende Angelegenheit, aber eine tolle kurze Wanderung. Der Ausblick ist der Wahnsinn und ich hatte strahlenden Sonnenschein! Man kann sogar die Austernfarmen im Wasser sehen.
Selbstverständlich gab es unten im Tal noch ein Eis, und dann frische gegrillte Hiroshima Austern – die sind wirklich gigantisch groß!
Abends in Hiroshima habe ich mir dann ein Lokal ausgesucht, das spezielle Nudeln anbietet, quasi Ramen ohne Suppe, bevor ich dann noch einmal bei Hiroshima Neighborhood Brewing vorbeischauen musste, es waren ja noch einige unprobierte Biere auf der Karte. Dabei noch eine nette Bekanntschaft mit einer amerikanischen Fotografin gemacht (ihr Instagram für schöne Fotos).
Hiroshima, Du warst wunderschön und spannend. Eine moderne, junge Stadt, in der es so viel zu sehen gibt. Ich kann jedem Reisenden empfehlen, unbedingt mal hier einen Stopp zu machen. Eine tolle Stadt!
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